Die Aufmerksamkeitsspanne wird immer kürzer. Mittlerweile liest sich niemand mehr eine komplette Website von vorne bis hinten durch. Um die Aufmerksamkeit des Nutzers zu erhaschen (und möglichst lange zu halten) kannst du dich bei verschiedenen Erkentnissen aus der Wissenschaft bedienen. Dabei liefert die Neurowissenschaft (Wissenschaft unseres Gehirns) wichtige Leitsätze für erfolgreiches Webdesign und Marketing.
Hick’s Law – Weniger Auswahl, mehr Verkäufe
Menschen sind Entscheidungsfaul. Eine Entscheidung ist ein komplexer kognitiver Vorgang und verbraucht (einfach gesagt) sehr viel Energie. Deine Besucher haben nur ein bestimmtes Maß an Energie. Verschwende nicht die Entscheidungsenergie deiner Besucher, indem du ihnen zu viele Entscheidungen lässt. Weniger ist mehr. Deshalb solltest du deinen Besuchern Entscheidungen schon beim Webdesign abnehmen.
Das Hicksche Gesetz besagt, dass sich die Entscheidungsdauer mit den Möglichkeiten erhöht. Umso mehr Auswahlmöglichkeiten es gibt, desto mehr kognitive Energie verlangst du deinen Besuchern ab. Und umso länger wird die Entscheidungsfindung dauern.
Dazu wurden auch einige Tests durchgeführt. Beispielsweise wurde in einem Lebensmittelgeschäft eine Marmeladenverkostung angeboten.
In der Infografik ist dieser Test dargestellt. Dabei wurde eine Marmeladenverkostung durchgeführt. An einem Verkostungsstand befanden sich 24 verschiedene Marmeladensorten. An dem Anderen nur 6 verschiedene Sorten. Dabei ist herausgekommen, dass der Stand mit weniger Proben 10mal soviel verkaufte. Mehr Auswahl bedeutet also nicht mehr Verkäufe. Da dem Kunden eine höhere kognitive Entscheidungsleistung abverlangt wird, brechen viele potenzielle Kunden vor dem Abschluss ab.
Was bedeutet die Hick’s Law für dein Webdesign?
Beschränke die Anzahl deiner Menüpunkte. Setze dabei Prioritäten und konzentriere dich auf das was wichtig ist. Jede Unterseite sollte genau ein Ziel verfolgen und den Nutzer zu diesem Ziel (im Regelfall eine Aktion) hinführen. Zusätzliche Ablenkung sollten eliminiert werden.
Prospect Theory – Verlustaversion
Menschen sind keine Maschinen. Ihre Entscheidungen sind getrieben von Subjektivität und irrationalen Gefühlen. Aber gerade dass macht uns zu Menschen. Die Prospect Theory von 1979 belegt, dass wir beim Kosten-Nutzen-Rechnen eher auf die Kosten als auf den Nutzen schauen. Wir bewerten also nicht objektiv nach dem Endergebnis sondern schauen eher auf die Risiken. Verluste werden überschätzt und Gewinne unterschätzt. Das bedeutet, Verluste werden negativer wahrgenommen als Gewinne positiv.
Was bedeutet die Prospect Theory für dein Webdesign?
Besonders im Marketing kannst du dir diesen Fakt zunutze machen. Dabei solltest du die Nachteile/Kosten betonen, die ohne das Produkt entstehen. Kosten für dein Produkt sollten zusammengefasst werden und die Vorteile sollten ausführlich und vordergründig dargestellt werden.
Bestimmt hast du auch schon gesehen, dass ein Prdoukt (oder ein bestimmter Preis) nur für eine begrenzte Zeit verfügbar ist. Diese (meist) künstliche Verknappung soll nur den Verkauf ankurbeln. Beliebte Produkte wirken attraktiver auf die meisten Menschen. Als Beispiel nutzt Apple diesen Fakt. Bei Markteinführung werden die Geräte meist in einer sehr geringen Stückzahl auf den Markt gebracht und es entstehen lange Lieferzeiten. Damit suggeriert man dem Käufer eine höher Beliebtheit und macht das Produkt attraktiver.
Herdenverhalten/Social Proof – ist Masse gleich Klasse?
Eine weitere Beeinflussungstechnik aus dem Marketing sind Testimonials oder auch Kundenstimmen. Der Social Proof basiert auf einem einfachen psychologischen Phänomen. Bei Unsicherheit neigen Menschen dazu der Masse zu folgen, anstatt sich ein eigenes Urteil zu bilden. Auch dieser Effekt ist ein Beispiel für die Vermeidung von kognitiven Anstrengungen. Je mehr Nutzer also positiv über dein Produkt sprechen, desto besser muss das Produkt auch für den Einzelnen sein. Dieses Herdenverhalten ist tief in der menschlichen Psyche verankert.
Was bedeutet das Herdenverhalten bzw. der Social Proof für dein Webdesign?
Du solltest unbedingt Erfahrungsberichte und/oder Bewertungen auf deiner Website einbinden. Das zeigt deinen Besuchern, dass auch andere Kunden mit deinem Produkt zufrieden sind. Generell bin ich kein Freund von Social-Media Einbindungen. Dennoch kann Social Media deinem Besuchern deutlich machen, wieviele Leute dir folgen. Zudem stellen auch bestimmte Siegel Vertrauen her. Trusted Shops, Proven Expert und andere Dienstleister eignen sich dafür.
Serial Position Effect – Wichtiges am Anfang und Ende
Der Serial Position Effect (auch Primacy-Recency-Effekt) beschreibt die Fähigkeit des Gehirns sich Anfang und Ende einer Liste/Text besonders zu merken. In der Mitte ist die Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit eines Lesers am Geringsten. Dabei wird der Anfang einer Liste in das Langzeitgedächtnis gespeichert und das Ende der Liste in das Kurzzeitgedächtnis.
Dieser Effekt lässt sich natürlich auf unterschiedliche Arten von Content übertragen. Generell geht es um die Eigenschaft des Gehirns Daten zu scannen und zu speichern. Besonders im Internet wird das Scannen als beliebte Methode verwendet. Daher sollten wichtige Dinge am Anfang und am Ende einer Webseite erscheinen.
Hinweis: Leider lässt sich der Serial-Position Effekt nicht für die Navigation nutzen. Eine Studie des Journal of Usability zeigt, dass die Reihenfolge der Navigationspunkte keine Rolle für deren Erfolg spielt.
Der Frontallapen des Gehirns ist für die Planung, Aufmerksamkeit und Motivation verantwortlich. In der Neuropsychologie nennt man diese Tätigkeiten exekutive Funktionen. Dabei stehen diese Handlungen stark in Verbindungen mit dem Kurzzeitgedächtnis. Da das Kurzzeitgedächntis sich maximal sieben Dinge merken kann sollte auch deine Navigation mit sieben oder weniger Navigationspunkten auskommen. Je weniger desto besser. Bei größeren Website-Strukturen kannst du mit einer zweistufigen Navigation arbeiten. Damit kannst du sinnverwandte Navigationspunkte gruppieren um deinem Besucher eine bessere Übersicht zu bieten.
Was bedeutet der Serial Position Effekt für dein Webdesign?
Wenn die Entscheidung des potenziellen Kunden lange nach dem Lesen (> 30 Sekunden) getroffen werden soll, platzierst du die wichtigsten Elemente zuerst. Wenn die Entscheidung unmittelbar nach dem Lesen getroffen werden soll, platzierst du das wichtigste Element als letztes.
Auf einer Landingpage solltest du den Hauptnutzen deines Produktes am Anfang nennen und überzeugende Extras wie kostenloser Versand am Ende. Wenn deine Besucher die Seite verlassen haben werden sie sich sehr wahrscheinlich am ehesten an den Hauptnutzen erinnern.
Restroff Effekt oder Aufmerksamkeit mit Farben steuern
Der Restorff Effekt (benannt nach der Entdeckerin Hedwig von Restorff) wurde 1933 nachgewiesen. In einem Experiment wurden Buchstaben mit Zahlen auf einer Liste kombiniert – wobei die Zahlen die Ausnahme bildeten. Die Probanden konnten sich besser an die nicht dazu passenden Elemente erinnern. Diesen Restorff-Effekt kannst du als Webdesigner sehr gut nutzen. Dazu färbst du einfach die Aktionselemente einer Website (also die wichtigen Interkationselemente) in einer Kontrastfarbe ein. Damit heben sich diese Elemente vom Rest der Webseite ab und erzeugen mehr Aufmerksamkeit beim Besucher.
Die Studie von EyeQuant kam zur gleichen Erkenntnis. Demnach ist die Farbe von Schaltflächen extrem wichtig um die Aufmerksamkeit der Besucher zu lenken.
Was bedeutet der Restorff Effekt für dein Webdesign?
Die wichtigen Elemente sollten im Kontrast zum Hintergrund stehen. Buttonfarbe und Textfarbe sollten sich unterscheiden. Naheliegende Elemente auf der Website sollten eine andere (ähnliche) Farbe haben. Welche Farbe ist für einen Button aber nun geeignet. Das hängt an verschiedenen Dingen. Grün oder blau sollten in vielen Fällen die erste Wahl sein.
Einfache Sprache auch bei komplexen Themen
Der Stirnlappen und der Schläfenlappen sind für das Sprachverständnis verantwortlich. Hier wird im Gehirn Sprache zur Bedeutung. Die Sprache (also die Texte) deiner Website sind sehr wichtig und entscheiden über Erfolg oder Misserfolg.
Je leichter ein Text zu lesen ist, desto erfolgreicher die Website.
Du solltest lange Sätze und Fach-Jargon vermeiden. Eine einfache Wortwahl bedeutet weniger Arbeit für deine Besucher. Dabei geht es nicht um Verdummung. Es ist nachgewiesen, dass selbst Professoren und intelligente Menschen eine einfache Sprache bevorzugen. Das bedeutet weniger Arbeit für ihr Gehirn. Und weniger Arbeit ist für alle besser.
Du magst jetzt vielleicht denken, dass schlau formulierte Texte dich kompetent wirken lassen. Wenn deine Besucher sich jedoch nicht mit deinem Content auseinandersetzen wollen weil sie keinen Zugang finden, dann bringt dir das für die Konversion nichts. Deshalb verwende eine einfache Sprache – dazu kannst du auch dieses Tool nutzen: Hemingway App.
Wie verwendest du einfache Sprache für dein Webdesign?
Vermeide Sätze, die länger als 20 Wörter sind. Verschachtelte Sätze sollten auf mehrere Sätze aufgeteilt werden. Lass die Finger von super-schlauen Wörtern und verwende dafür einfache Umschreibungen.
Absätze sollten nicht länger als drei bis vier Zeilen sein. Für weitere Information zur einfachen Sprache im Web kannst du auch den Web Style Guide lesen. Hier findest du weiterführende Tipps.
Ladegeschwindigkeiten sind entscheidend
Auch wenn in diesem Artikel an letzter Stelle ist es doch ein eintscheidender Fakt. Die Ladegeschwindigkeit (Pagespeed) ist und wird zunehemend wichtiger. Untersuchungen von Google und Microsoft haben ergeben, dass 40 % der Besucher die Seite nach 3 Sekunden verlassen, sollte diese nicht komplett geladen sein. Dabei wirkt sich die Ladegschwindigkeit auf viele Bereiche aus: Zufriedenheit der Besucher, Bounce-Rate, Konversion und Umsatz.
Viele Webdesigner vernachlässigen die Pagespeed. Sie opfern die Geschwindigkeit für das Webdesign. Laut einer Studie von HubSpot bewerten 76% der Besucher den Inhalt als wichtigsten Faktor beim Webdesign. Deshalb sollte dein Content die oberste Priorität haben und alles drumherum sollte sich der Information unterordnen. Aber Vorsicht: In den ersten drei Sekunden bewertet der Nutzer auch die Kompetenz der Website. Mit schlechtem Webdesign wird er sich den (eventuell) tollem Content gar nicht erst widmen.
Wie du die Ladegeschwindigkeit deiner Website optimierst
Wenn du für deine Website Wordpress verwendest, kannst du dir mein Artikel zur Pagespeedoptimierung für Wordpress anschauen. Solltest du ein anderes CMS verwenden dann steige noch heute schnell auf Wordpress um ;) Oder du benutzt als Einstieg für die Geschwindigkeitsoptimierung das Pagespeed Insights Tool von Google. Dieses Tool liefert dir auch Tipps zur Optimierung.
Sehr interessante Tipps. Vielen Dank für diesen Interessanten Beitrag.
Sehr hilfreiche Tipps. Werde gleich mal meine Website checken, ob ich noch etwas verbessern kann :)
Wer Lust auf weitere wissenschaftliche Webdesign Tipps hat, der sollte sich unser Infografik mit 29 Tipps & Tricks anschauen: https://grafikingenieur.de/webdesign-tipps-tricks/
Sehr schöne Tipps. Sie haben alles sehr gut erklärt.
Ein interessanter Trick. Bin gerade dabei, meinen Onlineshop aufzubauen und habe mir noch nicht so viele Gedanken über das Webdesign gemacht. Die Tipps aus diesem Artikel werde ich auf jeden Fall berücksichtigen.
Vielen Dank!