Flat Design ist sicherlich nicht der neueste Webdesign Trend. Als ich 2011 an ein paar Kampagnen für das neue Windows Phone arbeitete, kam ich das erste Mal in Kontakt mit diesem Flat Design. Microsoft nannte es allerdings Metro Design. Wenn man jedoch von der Kachelgestaltung absah, war es die Geburtsstunde des Flat Designs.
Während viele Jahre das skeuomorphistische Webdesign eigentlich alle Websiten prägte, kam mit dem Metro Design eine Gegenbewegung auf. Waren wir vom Skeuomorphismus Verläufe, Schlagschatten und einiges an Eye-Candy gewöhnt, bestand das Metro Design komplett aus einfarbigen, geometrischen Flächen und Icons. Als Gestaltungsmittel nutzte man Schrift, Farben und die Komposition. Einfach, minimalistisch – weniger ist mehr.
Dabei ist dieser Ausbruch von Microsoft aus der „Apple“-isierten Welt verständlich. Man wollte mit dem Windows Phone nochmal versuchen, sich im Smartphone Bereich zu etablieren. Den Microsoftentwicklern musste klar gewesen sein, dass sie dies nur durch eine Innovation erreichen konnten. Sie kehrten dem skeuomorphistischen Webdesign den Rücken zu. Flat Design kann hier als Gegenpol gesehen werden.
Später erstrahlte dann auch Windows 8 im Metro oder auch Flat Design. Nachdem es nun bei Apple aber auch generell im Web den absoluten Effekte-Schlagschatten-Eye Candy Overkill gab, entspannte und begeisterte das Flat Design.
Apple veröffentlichte das iOS7 im Flat Design und auch Google bzw. Android bedienen mit dem Material Design oder „Nearly Flat Design“ eine Unterkategorie des Flat Designs.
Was macht Flat Design aus?
In meinem Designstudium habe ich sehr oft die Worte „Weniger ist mehr“ und „form follows function“ gehört. Diese Zitate treffen das Flat Design relativ gut, wenn das Flat Design auch nicht ganz konsequent reduziert ist. Gestaltet wird jetzt nicht mehr mit Schlagschatten, Konturen, Glanz oder halbtransparenten Reflektions-Spielereien. Während für echte Webdesigner auch in skeuomorphistischen Zeiten schon der Farbverlauf der größte Feind war, drangen jetzt reduzierte Gestaltungsmethoden in den Webdesigner Mainstream ein. Was gerade noch der letzte Schrei war, ist jetzt total verpönt und vom letzten Jahr.
Es gibt keine Schnörkel oder wie Adolf Loos sagen würde: Tod dem Ornament – der sinnfreien Dekoration. Das Flat Design scheint sich auf Funktionalität zu konzentrieren. Das Webdesign ist also scheinbar Usability und funktionsorientiert und sollte den User führen.
Durch die Erfindung der Web-Fonts können jetzt auch Schriften systemunabhängig in Websiten eingebunden werden. Dies nutzt das Flat Design und versucht Gestaltung über Typographie, geometrische (meist eckige) Objekte und Elemente, Farben und die Komposition bzw. den Weißraum zu erreichen.
Da beim Flat Design Verläufe und Effekte zur Benutzerführung fehlen, müssen die User von Flat Design neues Verhalten erlernen. Buttons haben im straighten Flat Design eben kein Verlauf mehr – die Handlungsaufforderung an den Nutzer sollte sich im Flat Design aus Position, Größe und Farbe des Interaktionselementes ergeben.
Dies stellt natürlich deutlich mehr Anforderungen an den Webdesigner und/oder Interfacedesigner. Am Flat Design trennt sich die Spreu vom Weizen, da für die minimale Gestaltung ein erhöhtes gestalterisches Können notwendig ist. Sonst wird Flat Design ganz schnell zum Ugly Design.
Zusammenfassend hier nochmal die wichtigsten Gestaltungsmerkmale von Flat Design:
- Verzicht auf Texturen
- flache Elemente ohne Schatten
- Einfache, übersichtliche Elemente
- Gestaltung durch Typographie
- Userführung durch Farbe und Größe von Bedienelementen eines Interfaces
- Fokus liegt auf Usability bzw. der einfachen Bedienbarkeit
- Allgemeiner Minimalismus
Flat Design – die Entwicklung eines Webdesign Trends
Wie konnte Flat Design entstehen? In meiner Masterarbeit habe ich mich vor ein paar Jahren mit den Designströmungen in der Geschichte beschäftigt. Witzigerweise ist auch beim Flat Design bzw. beim skeuomorphistischen Design der rote Faden der Designströmungen zu erkennen.
Zu jeder Designströmung bzw. Gestaltung gibt es immer eine Gegenbewegung, die sich nach einiger Zeit aus einer bestimmten Designströmung heraus entwickelt. Nachdem eben nun beim Skeuomorphismus nun die Effekte und die technischen Möglichkeiten der Darstellung völlig ausgereizt wurden und bald jede Website gleich aussah, entwickelte sich der Wunsch nach einem anderen Reiz für’s Userauge.
Flat Design kann also als Gegenströmung zum Skeuomorphismus betrachtet werden. Das Besondere an dieser Designströmung ist, dass aus einer Bewegung (Skeuomorphismus) und einer Gegenbewegung (Flat Design) wieder eine neue Bewegung (Material Design?) entsteht. Flat Design erinnert mich von der Theorie aber auch von der Ästhetik an die HFG Ulm und die daraus resultierenden Produkte (Dieter Rams, etc.).
Das bedeutet, die komplette Abwendung von Verläufen und Schatten ist nur ein Webdesign Trend. Wenn es besser ist (zum Beispiel aus Usability Sicht) ein Verlauf zu benutzen (um beispielweise) einen Button zu kennzeichnen, dann sollte der Verlauf aufgrund der Usability benutzt werden.
Flat Design vs Skeuomorphismus
Am Anfang des Flat Designs wurden lustig alle Buttons und Bedienelemente flach gestaltet – eben Flat Design! Allerdings hat sich mit der Zeit herausgestellt, dass sich so eben die Buttons nicht mehr oder schwerer vom Rest des Interfaces abheben. Der Nutzer hat in der Vergangenheit gelernt, dass Buttons Verläufe haben und meist noch einen Schatten. Der Nutzer hat aus unzähligen Erfahrungen mit anderen Websites in der Vergangenheit gelernt, dass Links unterstrichen sind und dass bestimmte Elemente ein bestimmtes Interaktionsverhalten haben.
Sicherlich ist die Abwendung vom Skeuomorphismus (zumindest zum Teil) richtig. Viele skeuomorphistische Ikonen sind jüngeren Benutzern heute nicht mehr bekannt. Zum Beispiel die Diskette als Speichersymbol. Kein 15Jähriger hatte jemals in seinem Leben eine echte Diskette gesehen. Unsere Teenager kennt diese Diskette wahrscheinlich wirklich nur noch als Symbol aus dem Word.
Allerdings ist „Flateritis„, die sich seit dem Design Trend Flat Design ausgebreitet hat mit Vorsicht zu genießen. Buttons und Bedienelemente sollten sich durch die Gestaltung von unwichtigeren Elementen abheben. Eine Bedeutungspriorität einzelner Interface Elemente sollte sich durch die Gestaltung dem User prägnant und eindeutig kommunizieren. Hier ist die Frage, wie dies mit nur flachen und minimalistischen Elementen kommuniziert werden soll, auf einer Website die mehr als 3 Interaktionsmöglichkeiten auf einer Webseite enthält.
Ein Vorteil an Flat Design ist natürlich, dass es schlechtes Design schneller enttarnt. Es gibt nicht mehr so viele Möglichkeiten, neue, der Funktion entgegen gerichtete Deko-Elemente im Design zu verstecken.
Flat Design Nachfolger?!
Als Nachfolger kann das „Nearly Flat Design“ oder auch das von Google geprägte Material Design gesehen werden. Diese Entwicklung (das Flat Design zu relativieren) ist eine gute Entwicklung. Im Gekreische um den Minimalismus und die Besinnung auf die Form wurde die (eigentlich im Vordergrund stehende) Funktion manchmal beim Flat Design Trend vergessen.
Die Weiterentwicklung des Flat Designs
In den letzten Jahren hat sich Flat Design weiterentwickelt. Was 2012 mit Windows 8 begann, hat sich längst zu einem Standard im digitalen Design etabliert. Doch wie bei jedem Trend gibt es auch beim Flat Design Weiterentwicklungen und Anpassungen.
Die strenge Zweidimensionalität des frühen Flat Designs hat sich gelockert. Es entstanden Hybridformen wie das „Material Design“ von Google oder das „Fluent Design“ von Microsoft, die zwar auf den Grundprinzipien des Flat Designs aufbauen, aber subtile Schattierungen und Bewegungseffekte wieder einführen.
Diese Weiterentwicklung war auch aus Usability-Sicht notwendig. Studien der Nielsen-Normann-Gruppe haben gezeigt, dass Nutzer bei zu radikal umgesetztem Flat Design Schwierigkeiten haben, interaktive Elemente zu erkennen. Die fehlenden visuellen Hinweise auf Funktionalität verlängerten die Zeit, die Nutzer zur Navigation benötigten.
In der Praxis hat sich daher ein Kompromiss durchgesetzt: Flat Design mit subtilen Tiefen-Elementen, die die Benutzerfreundlichkeit verbessern, ohne in den Skeuomorphismus zurückzufallen. Diese Entwicklung wird oft als „Flat Design 2.0“ oder „Semi-Flat Design“ bezeichnet.
Flat Design im Jahr 2025: Aktuelle Trends
Heute, im Jahr 2025, sehen wir eine differenziertere Anwendung des Flat Designs. Designer nutzen gezielt einzelne Elemente und kombinieren sie mit anderen Stilen, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen.
Ein aktueller Trend ist die Integration von Micro-Interaktionen und subtilen Animationen in flache Designs. Diese kleinen Bewegungen geben dem Nutzer Feedback, ohne die Schlichtheit des Designs zu beeinträchtigen. Sie machen das Interface lebendig und reaktionsfreudig.
Auch die Verwendung von Neomorphismus – einer Weiterentwicklung des Flat Designs mit subtilen Schatten und Erhebungen – hat in bestimmten Anwendungsbereichen zugenommen. Diese Gestaltungsweise erzeugt den Eindruck, dass Elemente aus der Oberfläche herausgedrückt werden, ohne dabei den minimalistischen Charakter zu verlieren.
Darüber hinaus beobachten wir eine Rückkehr zu mehr Persönlichkeit im Design. Nach Jahren des strengen Minimalismus sehnen sich Nutzer wieder nach charaktervolleren Interfaces. Dies zeigt sich in der zunehmenden Verwendung von individuellen Illustrationen, handgezeichneten Elementen und ungewöhnlichen Typografien, die dennoch die Grundprinzipien des Flat Designs respektieren.
Ich persönlich halte nichts von der strikten Einhaltung von irgendwelchen Webdesign Trends. Man sollte sich jeden Design Trend kritisch anschauen und entscheiden, welche Gestaltungsmerkmale man eventuell verwenden kann um die eigene Gestaltung zu verbessern.
Witzig bei dem Skeuomorphismus bzw. dem Flat Design Trend, fand ich die Reaktion von Webdesigner Kollegen auf die Trends. War gestern noch jedes Element mit mindestens 5 Effekten verziert, wurde am nächsten Tag alles flach gestaltet. Die Verläufe und Schatten waren von heute auf morgen komplett vergessen. Ja sogar verpönt – wenn man dann mal einen dezenten Schatten nutzen wollte –iiiiih! Schatten – das geht ja gar nicht!
Diese kleine Geschichte soll verdeutlichen, dass der Mittelweg meist der nachhaltigste Gestaltungsweg ist.
Fazit: Die Balance finden
Flat Design hat die Art und Weise, wie wir digitale Oberflächen gestalten, nachhaltig verändert. Es hat uns gelehrt, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und unnötige Verzierungen zu hinterfragen. Gleichzeitig hat die Evolution des Flat Designs gezeigt, dass absoluter Minimalismus nicht immer der beste Weg ist.
Die Kunst liegt darin, eine Balance zu finden: So minimalistisch wie möglich, so funktional wie nötig. Gutes Design unterstützt die Nutzererfahrung, anstatt sie zu behindern. Und manchmal braucht es eben doch einen subtilen Schatten oder einen leichten Farbverlauf, um dem Nutzer zu helfen, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden.
Was ist eure Meinung zum Flat Design? Hat es sich weiterentwickelt oder seid ihr schon wieder bei einem anderen Designtrend angekommen?